Dienstag, 22. April 2014

Zwei Fotografen zeigen Frankfurts Stadtteile, wie man sie selten sieht


Rödelheim. Ob sie Frankfurt kennen? Nicht wirklich. „Ich bin immer wieder erstaunt, wie viel Neues es zu entdecken gibt“, sagt Anna Pekala. Zusammen mit Florian Albrecht-Schoeck fotografiert sie Frankfurts Stadtteile. Manche sind ihnen vertraut, andere vollkommen fremd. Egal wo – immer wieder erschließt sich den Fotografen ein neues Bild. „Wie ein Puzzle, das sich langsam zusammenfügt“, sagt Pekala. Rödelheim ist der neueste Teil von Pekalas und Albrecht-Schoecks persönlicher Frankfurt-Karte. Neu gestalteter Bahnhofsvorplatz, Gründerzeithäuser, dahinter unvermutet grüne Hinterhöfe. Auffallend viele Lebensmittelläden säumen die Straßen. Hinter einem Tor backt die Bäckerei Huck den angeblich besten Käsekuchen der Stadt, ein paar Schritte weiter kreiert die Confiserie Graff von Gourmetmagazinen ausgezeichnete Pralinen und Törtchen. Im Café am Bahnhof bleibt man nicht lang allein. „Können Sie mal eben den Platz frei halten?“, fragt die Frau rechts am Tisch. Und verwickelt die Fotografen in ein Gespräch. Rödelheim – ganz anders als gedacht? „Nein“, sagt Anna Pekala. „Ich habe mir kein Bild gemacht bevor ich hier her kam.“ Florian Albrecht-Schoeck kannte den Stadtteil bereits. Dennoch geht er durch die Straßen, als seien sie Neuland. „Ich mache mir keine Gedanken“, sagt er, „auch wenn ich schon einmal an einem Ort war, kann ich nicht voraussehen, was mich dort beim nächsten Mal erwarten wird.“

Innen und Außen


„In Frankfurter Gesellschaft“ heißt ihr Fotoprojekt. Entstanden aus Anna Pekalas Diplomarbeit an der Hochschule für Gestaltung Offenbach, entwickelt mit dem städtischen „Frankfurter Programm – Aktive Nachbarschaft“. Sie porträtiert die Menschen des Quartiers, Männer und Frauen, Kinder, Familien und Paare jeden Alters und aus unterschiedlichsten Kulturen. Albrecht-Schoeck hält Straßenszenen fest. Der alte Baum, der wie ein Fremdkörper vor dem nüchternen Bau eines Supermarktes steht. Der Blick aus dem Hochhaus über Flachbauten und weiter über Spitzgiebel-Häuser, die schmale Gassen säumen. Ihre Bilder sind bunt, hell, inszeniert. Seine sind schwarz-weiß, manchmal schroff und immer zufällig. Anna Pekala und Florian Albrecht-Schoeck arbeiten mit Gegensätzen. „Eine vermeintlich heile Welt trifft auf abstrakte Schwarz-Weiß-Aufnahmen. Dieser Bruch eröffnet einen neuen Blick auf die Dinge“, sagt Albrecht-Schoeck. „Jeder Betrachter ist ein Individuum. Aber trotzdem kann jeder irgendeine Gemeinsamkeit in dem finden, was er auf unseren Bildern sieht.“

Türöffner Kultur

Die Identifikation mit den Menschen und Orten auf den Bildern, nicht nur das haben das Fotoprojekt und das "Frankfurter Programm – Aktive Nachbarschaft" gemein. Mit ihm sorgt das Jugend- und Sozialamt seit 14 Jahren in vielen Siedlungen der Stadt für ein besseres nachbarschaftliches Miteinander und eine Aufwertung der Quartiere. Zahlreiche Projekte, darunter das von Anna Pekala und Florian Albrecht-Schoeck, bringen die Menschen zusammen und bereichern die kulturellen und sozialen Angebote im Stadtteil. „Gemeinsam gestalten“ lautet das Motto, denn die Bewohner sind stets beteiligt, entscheiden, planen und wirken mit, wenn es um ihr Quartier geht. Unterstützung bekommen sie vom Quartiersmanagement, das zum Mitmachen motiviert und zahlreiche andere Partner mit an den Tisch holt. Kultur wirkt dabei wie ein Türöffner. „Zu Nachbarschaftsfesten oder kulturellen Projekten wie der Rödelheimer Musiknacht kommt man gerne. Auch das Fotoprojekt und vor allem die abschließenden Ausstellungen im Quartier greifen diesen Gedanken auf“, erklärt Tanja Sadowski, die das Fotoprojekt betreut.

Wie es ihnen gefällt

Auf Anna Pekalas Bildern bestimmten die Porträtierten mit, wie sie gezeigt werden. Da tanzt ein Ehepaar über das Parkett seines Wohnzimmers. Eine Frau in einem sehr kurzen schwarzen Kleid streichelt auf dem Balkon ihre Katze. Eine afrikanische Familie, in Landestracht auf dem Sofa versammelt, schaut stolz Richtung Kamera. Kommt Anna Pekala zu Besuch, ziehen die Bewohner ihre schönsten Kleider an, rücken Möbel, hängen Bilder um, umgeben sich mit ihren liebsten Stücken. „Wir inszenieren ihre Kulisse“, sagt die Fotografin. Auf diese Idee brachte sie ein Mädchen bei einer ihrer ersten Fotoserien. „Ich wollte das Mädchen fotografieren als es plötzlich eine Orchidee in die Hand nahm und darauf bestand, die Pflanze müsse mit aufs Bild“, erzählt sie.

Erst Skepsis, dann Vertrauen

Menschen zu finden, die ihr Privates, ihre eigenen vier Wände für sie öffnen, sei nicht leicht. Wenige spricht die Fotografin auf der Straße an, die meisten Kontakte knüpft sie über die Quartiersmanager, Nachbarschafts- oder Frauentreffs. „Natürlich sind die Bewohner skeptisch, wenn ich sie anrufe oder anspreche“, sagt Anna Pekala. Die Kommunikation mit den Porträtierten ist für sie Teil der Arbeit – so unverzichtbar wie für Florian Albrecht-Schoeck überflüssig. Seine Bilder sind menschenleer. Dafür braucht er, der ebenfalls an der HfG Offenbach zur Fotografie fand, vor allem Geduld. Geduld auf den richtigen Moment zu warten. Meist läuft er einfach los, Musik im Ohr, seine analoge Hasselblad in der Hand. Woran sein Auge hängen bleibt, hält er fest. „Ich mache was kommt“, sagt er. Erst wenn Albrecht-Schoeck alle Bilder entwickelt hat, stellt er sie zu einer Serie zusammen.

Unsichtbare Grenze

Rund zweieinhalb Monate sind die beiden Fotografen in den Stadtteilen unterwegs. Tauchen ein in die Welt der Bewohner. Seckbach, wo sie vor Rödelheim ihre Streifzüge machten, empfanden Pekala und Albrecht-Schoeck als dörflich und gleichzeitig zerrissen. „Es gibt ein ,wir da unten und die da oben‘“, sagt Albrecht-Schoeck und beschreibt die unsichtbare Grenze zwischen dem historischen Teil und der 1970er Jahre-Siedlung Atzelberg. Bei der Vernissage ihrer Ausstellung in einem leerstehenden Supermarkt am Atzelbergplatz jedoch seien so „viele Leute von unten oben“ gewesen wie noch nie – das hat der Wirt einer Kneipe am Atzelberg den Fotografen erzählt.

Alles fügt sich zusammen

Die Vernissage ist der Moment, an dem sich alles zusammenfügt. Pekalas und Albrecht-Schoecks Bilder, Innen und Außen, Schwarz-Weiß und Farbe, Menschen von „da unten“ und von „da oben“, Besucher aus anderen Teilen Frankfurts. Sie betrachten die Fotografien und kommen darüber ins Gespräch. Sie lernen sich kennen, überdenken Vorurteile gegenüber Nachbarn und dem Quartier. Es sind Vernissagen mit dem Charakter eines Familienfests. Die Anwohner, ihre Kinder – alle sind sie da. Und zeigen sich und ihre Nachbarschaft ganz privat und voller Selbstbewusstsein. „Neulich rief mich eine Frau aus dem Westend an, ob ich sie fotografieren wolle“, erzählt Anna Pekala. Denkbar ist alles. Für die beiden Fotografen endet „In Frankfurter Gesellschaft“ nicht an den Grenzen vermeintlich schwieriger Stadtteile. Sie wollen die ganze Stadt fotografieren. Und so nach und nach ihr Frankfurt-Puzzle zusammensetzen. Anja Prechel /Presseamt Stadt Frankfurt



Die Vernissage „In Frankfurter Gesellschaft – Rödelheim innen und außen“ findet am Montag, 12. Mai um 18 Uhr in der Westerbachstraße 29 statt. Stadträtin Daniela Birkenfeld wird die Gäste begrüßen. Die Ausstellung wird bis 31. Mai gezeigt, der Eintritt ist frei. Öffnungszeiten: Dienstag 11 bis 14 Uhr, Donnerstag, 16 bis 18 Uhr, Sonntag 15 bis 17 Uhr sowie nach Vereinbarung unter Telefon: 069/93490218. Mehr über das Projekt erfährt man unter http://www.in-frankfurter-gesellschaft.de .

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